Krystian Woznicki on Tue, 14 Mar 2000 20:03:29 +0100 (CET) |
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[rohrpost] Neues von TwenFM / Vom Piraten zum Kulturserver |
Quelle: http://www.taz.de/tpl/2000/03/14.fr/tbox?Ueber=&Tname=a0130&idx=3&re=fl&qu=TAZ&m on= Vom Piraten zum Kulturserver Anfang Maerz stuermte die Berliner Polizei den Sendekeller von TwenFM. Nach der Konfiszierung seiner Ausruestung will der DJ-Sender ab April legal per Internet und beim Offenen Kanal weitermachen Radiomachen ist schoen und ein nettes Hobby wie fuer andere Leute Gartenarbeit. Nicht schoen ist, wenn man mit einem eigenen Sender von der heimischen Garage aus sendet und die Regulierungsbehoerde fuer Telekommunikation und Post dahinter kommt. Die erstattet Anzeige, besorgt einen Durchsuchungsbefehl und laesst die Polizei anruecken. Und wenn diese die Sendeanlage auch wirklich finden will, kann schon mal was im Eifer des Gefechts kaputtgehen. So was passiert halt. Das Pech hatte der Piratensender TwenFM in Berlin-Mitte zum Beispiel am 3. Maerz. Eine UKW-Lizenz ist fuer einen Sender in Berlin neben den 25 vorhandenen Programmen schwer zu ergattern, nicht kommerzielle private Sender bleiben chancenlos. So kaempft seit einigen Jahren das Projekt Radio Pi, ein Zusammenschluss aus mehreren freien Sendern, um eine eigene Frequenz. Die Legalisierung von Piratensendern ist voellig ausgeschlossen. Denn: "Die muessen auch nicht Mitarbeiter, Gema-Gebuehren und Verbreitungswege bezahlen", sagt Susanne Grams, Sprecherin der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg. "Die wollen ihre besonderen Inhalte verbreiten und Tabus brechen." In Berlin existieren zur Zeit etwa ein halbes Dutzend illegaler Sender, doch nur TwenFM und Radio Westfernsehen sind regelmaessig on air. Die anderen sind immer mal sporadisch zu hoeren. Illegaler Clubsound TwenFM will eigentlich auch keine politischen Tabus brechen, sondern ist ueber seine Illegalitaet hinaus ein DJ-Sender und fuer Clubsound zustaendig, der seit einem Jahr taeglich ab 18 Uhr rund acht Stunden lang in den Ostberliner Bezirken Mitte und Prenzlauer Berg auf UKW 95,1 empfangen werden kann. "Wir machen einfach nur Musik", meint der Initiator ueber die woechentlich zwanzig Sendungen mit ungefaehr 50 DJs. Ganz anders Radio Westfernsehen, das als Antifa-nah gilt und politisches Sendungsbewusstsein im Wortsinn demonstriert. Den TwenFM-Kollegen hat man nicht viel zu sagen, nach der Polizeiaktion hat ein Westfernseh-Mitarbeiter nur wenige mitfuehlende Worte uebrig: "Das ist eine andere Generation, die ihr Partygefuehl erweitert. Die wuerden bei Kiss FM weitermachen, wenn die sie anstellen wuerden." Radio Westfernsehen selbst sendet erst seit gut zwei Monaten regelmaessig auf der Frequenz 104,1. Vielleicht sei es der Regulierungsbehoerde mit einem weiteren, zudem explizit politischen illegalen Sender in der Stadt zu bunt geworden, spekuliert ein Mitstreiter ueber die Durchsuchung. Denn die kam zwar nicht unerwartet, aber zu einem ungewoehnlichen Zeitpunkt. Nach Einschaetzung der Funkpiraten "koennten die Techniker der Telekommunikations-Behoerde bereits nach 20 Minuten den Sender lokalisieren". Doch die zustaendige Bonner Behoerdenzentrale haellt sich in Schweigen: Man habe eben so lange bis zur Entdeckung ds Senders gebraucht, sagte Sprecher Harald Duerr. Nach TwenFM-Darstellung soll ein kommerzieller Sender gegen den Piratenkanal geklagt haben, weil dieser dem Privatprogramm Zuhoerer abspenstig mache. Viel Publikum koennen TwenFM und Radio Westfernsehen mit ihrer Reichweite ueber ein paar Blocks wohl kaum den Faengen der Dudelfunker entreissen - und auch die Zielgruppe ist eine andere als die des etablierten Hoerfunks. Warum die Regulierungsbehoerde gerade jetzt eingeschritten ist, verraet sie nicht. Cyber-TV und Chatforum Unbestritten uebereifrig ist aber die Polizei bei der Aktion gegen TwenFM vorgegangen. "Die kamen mit gezogener Waffe rein und haben uns gedroht", sagt der 24-jaehrige Hip-Hop-DJ Hek 187: "Die Zivilbullen waren am haertesten. Wir mussten drei Stunden in der Graetsche an der Wand stehen." Hek 187 stand am DJ-Pult und hatte noch die Kopfhoerer auf, als die Polizisten Freitagabend gegen 20 Uhr in den Sendekeller im Bezirk Mitte eindrangen. Das machte ihn prompt zu einem der Hauptverdaechtigen unter den 15 anwesenden DJs und MCs. Neben der Sendeanlage und den Plattenspielern beschlagnahmte die Polizei noch Mikrofone, Platten, Mini Discs der DJs und zwei PCs von Bewohnern des Hauses. Als die Personalien der Verdaechtigen aufgenommen wurden, lief ironischerweise Radio Westfernsehen. Ungewoehnlich ist der hohe Polizeiaufwand fuer ein Delikt, das mit dem neuen Telekommunikationsgesetz vor zwei Jahren zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft wurde: "Das ist nicht mehr, als wenn Otto Normalverbraucher Ueber eine rote Ampel faehrt", beurteilt Rechtsanwalt Rainer Palma die Lage, der schon einige Piratensender vor Gericht vertreten hat. "Die Verhaeltnismaessigkeit der Mittel sollte gewahrt bleiben". Die Regulierunsgbehoerde wird sich nun einen Hauptverantwortlichen suchen muessen, der in den naechsten Wochen einen Bussgeldbescheid ueber ungefaehr 3.000 bis 5.000 Mark zugeschickt bekommt. Das schreckt den TwenFM-Gruender nicht ab: "Wir lassen das ganze weiterlaufen." Bald auch digital - und legal: Ab April im Internet unter www.twenfm.de. Ausserdem soll im Nachtprogramm des Offenen Kanals taeglich von null bis zwei Uhr das Sendestudio gefilmt werden und dies ueber einen vom Kulturamt gefoerderten "Kulturserver" im Netz abrufbar sein. Fuer TwenFM als interaktives CyberTV ist ein Chatforum geplant nebst Zuschauerbeteiligung bei den Sendungen. Nicht schlecht fuer einen eben noch von der Polizei gejagten Piratensender. Von VERENA DAUERER ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost