Manuel Bonik on Fri, 7 Apr 2000 19:32:45 +0200 (CEST) |
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[rohrpost] Bioadapter |
Vernissage der Ausstellung "bioadapter": am Freitag, den 14.4. 21:30 (Eröffnungsvortrag von Manuel Bonik; Anmeldung für eine Isotank-Session ab sofort!!!) Presseerklärung: Der Tank, der Ort Im Zentrum der Ausstellung steht ein Isolationstank, auch als Samadhi-Tank bekannt. Er sieht aus wie ein grosses Ei: 2,5o m lang, 1,60 m breit, 1,30 m hoch, und über eine Tonne schwer. Der Tank ist gefüllt mit 700 Litern körperwarmer Salzlösung - die Zusammensetzung entspricht der des Toten Meeres. In dieser Umgebung wird der Ausstellungsbesucher für eine knappe Stunde von der vertrauten Realität der Aussenwelt "isoliert". transition präsentiert diese Ausstellung zum ersten Mal in einer Galerie - weg von der seltsamen Esoterikwelt. Durch die grosse Schaufensterscheibe hat jeder Passant in der Oranienstrasse Einblick in diese einmalige Installation - eine intime Atmosphäre während der Session ist selbstverständlich trotzdem gewährleistet. Danach geht die Installation in das ZKM (Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe). Der Titel der Ausstellung entstand in Anlehnung an ein Konzept von Oswald Wiener. Wiener, der skandalumwitterte Verfasser des pamphletischen Romans "Die Verbesserung von Mitteleuropa", der 1969 erschien und einen (oder den) intellektuellen Höhepunkt der deutschen Nachkriegsliteratur darstellt, war Gastwirt in Berlin. Er gründete u.a. das legendäre Exil. Heute lebt er in der Wildnis in Kanada, abseits der Zivilisation. Das Bioadapter-Projekt - Was passiert mit dem Besucher? Der Besucher durchläuft zuerst eine Station, in der ihm oder ihr mittels verschiedener Mikrophone in standardisierter Weise - einer ärztlichen Untersuchung nicht unähnlich - Körpertöne abgenommen werden: Atmen, Herzschlag, Magentöne, Stimme, etc.. Dann wählt der Galeriebesucher aus einer Anzahl von Möglichkeiten sein persönliches Programm aus. Einige Beispiele für die möglichen musikalischen Stimmungungen: abstrakt, Blumenwiese, wild, Zuversicht, etc.. Diese emotionalisierenden Wörter, wie sie im New-Age-Kontext, der hier ja in einem Nebenstrang der Überlegungen thematisiert und konterkariert wird, werden bewusst verwendet. Die Töne werden, während sich der Hörer oder die Hörerin auf die Sitzung vorbereitet (Ausziehen, Duschen, Erklärung des Systems durch einen Assistenten) durch verschiedenste klangmanipulierende Effekte, Routinen und Algorithmen bearbeitet, verändert und vervielfacht. Das so in der aufgebauten Studioumgebung gewonnene musikalische Material wird in einen Computer zurückgespielt. Kern der Installation ist der Isolationstank, wie er zu Entspannungs- und Meditationszwecken üblicherweise benützt wird. Der Besucher schwebt in der körperwarmen Salzlösung wie in einem Uterus. Die Ohren sind von Wasser bedeckt. Die Luft im Tank ist ebenfalls körperwarm und in Verbindung mit völligem Lichtabschluß wird eine sensorische Deprivation erzeugt, in der die Körpergrenzen, das innen und das außen, verschwimmen. Die Isolation wird zum unendlichen Projektionsraum. Solche innere Bilder oder Mental Images" gehören zu den Erscheinungen des Bewusstseins, die der Behaviorismus als Objekte wissenschaftlicher Beobachtung ausgeschlossen haben wollte. Diese Selbstbeobachtung (klingt im ersten Moment ein wenig wie "Liebe machen" oder wie nach esoterischer "Selbsterfahrung") ist erstaunlich - ist man doch meistens mit der sogenannten Aussenwelt beschäftigt und so wenig mit dem eigenen Erleben dieser Aussenwelt. Der Tank wird nun mit Unter- und Überwasserlautsprechern beschallt. Die Musik besteht aus den zuvor gewonnen und durch Veränderungen aufgefächerten individuellen akustischen Körperabsonderungen des Hörers. Die musikalische Struktur wird, innerhalb der von den Systemadministratoren vorgegebenen Parametern, je nach Programmwahl des Hörers über ein für dieses Projekt erstelltes Softwareinstrument (Patch) gesteuert. Der direkt abgenommene Herzrhythmus erzeugt eine Bio-Feedbackschleife, der Patch und damit die Musik reagiert auf das herzliche Dirigieren des Probanden. Nach ca. 40 Minuten endet das Programm, der Hörer verlässt den Tank (der über ein internes Kreislaufsystem geleert, gereinigt und für den nächsten Rezipienten neu befüllt wird) und bekommt eine frisch gebrannte CD mit seiner einzigartigen und unwiederholbaren Körpermusik. Lösung aller Weltprobleme Der Bioadapter bietet in seinen Grundzügen "die erste diskutable Skizze einer vollständigen Lösung aller Welt-Probleme. Er ist die Chance unseres Jahrhunderts: Befreiung von Philosophie durch Technik," wie Oswald Wiener 1965 feststellte. Nicht mehr, nicht weniger. Der Isolationstank oder Bioadapter ist für Wiener ..."ein Gleichnis für die Wirklichkeit, in der wir leben, diese Wirklichkeit wird als eine virtuelle Wirklichkeit betrachtet. Damals hat man das nicht so gesagt, und ich glaube, das war überhaupt das erste Mal, dass so etwas wie eine virtuelle Realität ernsthaft beschrieben wurde. Einige Module kann man (heute) bauen, man darf aber nicht vergessen, dass der Bioadapter eine intelligente Maschine ist und wir haben noch keine intelligenten Maschinen und werden auf lange Zeit keine haben. Was man heute machen kann, ist nur ein Abklatsch. Dies liegt nicht so sehr an der technischen Beschränktheit, sondern daran, dass wir nicht über die Intelligenz für eine solche intelligente Maschine verfügen. Die heutigen virtuellen Welten sind armselige Kulissenwelten, die immer nur den Erkenntnisstand eines bestimmten Teams repräsentieren und wer wollte schon in so einer Welt leben? Sie wollten doch auch nicht in einer Welt leben, die ich für Sie aufbauen kann?" Eröffnungsvortrag von Manuel Bonik Wir freuen uns besonders, zur Eröffnung der Ausstellung einen Vortrag des Künstlers und Autors Manuel Bonik über den Bio-Adapter von Oswald Wiener ankündigen zu können. Bonik veröffentlichte 1998 mit Wiener und Robert Hoedicke das automatentheoretische Lehrbuch "Eine elementare Einführung in die Theorie der Turing-Maschinen" (Springer-Verlag, Wien / New York) und ist daher berufen darzustellen, wie das Konzept des Bio-Adapters historisch und aktuell zu verstehen ist. Im Spannungsfeld zwischen "Bewusstseinserweiterung" (Hippiebegriff) und "Künstlicher Intelligenz" (heute) will er zeigen, dass, wer den Bio-Adapter nur als eine Art Prototyp des Internets oder des "Cyberspace" auffasst, zu kurz greift. So harmlos ist der Bio-Adapter nicht... Bei Interesse an einer Session im Isolationstank (bitte Handtuch mitbringen) ist rechtzeitige Anmeldung erforderlich!: Tel.: 030/ 61402840; Kosten: DM 80,-(incl. CD) mehr Informationen zum Tank: www.jueta.ch Galerie transition Oranienstraße 188 Berlin / Kreuzberg 030-61402840 ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost