Pit Schultz on Tue, 30 May 2000 18:50:12 +0200 (CEST) |
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[rohrpost] klub propaganda: die wmf eroeffnung |
a disco star is rising up again. bericht aus dem sommerlager von der wmf eroeffnung. (samstag 27.05.00) >KM> a very special guest appereance of >KM> "mr. gigolo himself" from munich: DJ HELL on da decks. >KM> Come to visit us! >na der hellmut kam dann noch ins wmf spaeter, um noch ein >bisschen umsonst ein brachiales brett, diesmal >machte auch die anlage anstandslos mit. also... irgendwie ist ein neuer klub immer ein gesellschaftliches ereignis ueber das man gerne schwelgerisch berichtet wenn die party richtig gut war, man sich dazugehoerig fuehlte, und vor allem aber dann in gegebenem rahmen, wenn die medienkulturelle aufgabenstellung an einen klub ganz erfolgreich umgesetzt wurde. gut. die party in der ziegelstr. 22 ging dann noch bis in den spaeten mittag, waehrend an der hofbar das mitte boys minigolf turnier losging (wie kamen die bloss mit den schlaegern an den tuerstehern vorber?) meldete drinnen die sogannte Lady Heidelberg Bar, an der schon James Bond einen Martini nahm, wiederholt nachschubnappheit. ben e. clocks neuer sommerbassline hit "i love you" lief etwa 27 mal, aber auch die tracks von steve bug und zombie nation von der neuen und ersten wmfcd kamen gut an. highfish & diringer legten ein phanomenales set hin und zeigten wiederholt, dass intelligenz, pop und dancefloor mit sex in verbindung stehen koennen ohne dass langeweile und erschoepfung aufkommen. die rueckprojezierte wolkenlage der beiden kuenstler alexei und leigh war idealer hintergrund fuer stundenlangen hoehenflug tanzbegeisterter jungberlinerinnnen und konkurrierte bloss noch mit der videomatischen videocube installation, die manche wehmuetig an wim toelkes grossen preis erinnerte andere wiederum an eine geostationaere fischtank kontrollstation. sehr dezent kommt diesmal auch wieder holzstruktur ins spiel, zum drauf stehen oder tanzen, sie setzt sich fort in allgemein runden ecken und endet ebenso dezent in terminalmonitoren die stabil hohe getraenkepreise und langsam scrollende infotexte anzeigen. farblich gesehen, geht das gelbundbraun der neu eingezogenen waende ueber in eine transurbane barlandschaft des zweiten gastraumes, halb remineszenz an die einstuerzenden industrialjahre westberliner kneipengeschichte, halb architektonische damoklesparabel, dazu ein wenig suedamerikanische bahnhofswartehallenaesthetik, von der beleuchtung her eindeutig franzoesisch-vague - und dennoch wurde auf die gutbuergerliche palettenaesthetik des sprichwoertlichen berliner provisoriums nicht verzichtet. die bar skupltur unternimmt eine studie weiblicher geschlechtsorgane in sozialistischsymbolischer beton ausfuehrung und fuert sie einem guten zweck zu. (trinken und geselligkeit) schliesslich gelang es barbara preisinger am dezent gedimmten selbst leuchtenden dj-kubus mit einem extraordinaeren german electronica set massenhaft seltsame zeitdehnungen hervorzurufen. doch wo waere die junge digitale klubkultur wenn sich nicht auch zigarettenautomaten zur schnittstelle prosperierenden e-commerce verwandelten. von den vielumworbenen startups tacki.com, flusi.com und pupsi.com wird man sicherlich noch in zukunft mehr hoeren. geheimnisvoll scheint das corporate design der logos durchaus auf richtungweisendes hinzudeuten. geht es der neuen oekonomie noch um wertschoefpungsketten? drogenabhaengigkeiten? welches produkt wird hier beworben? auch webdesign erklaert ersteinmal nichts. so war man sich einig. das neue wmf hat sich in seiner fuenften phase wiedereinmal neuerfunden, was die schlangen und fernsehteams vor der tuer zwar nicht bestaetigen konnten, so doch die schlangen vor den Dixi-Klos nicht wiederlegen wollten. Genau hier kommt der Hauptminuspunkt dieses seit anfang der 90er nomadisch kampierenden klubprojektes zum tragen: alle, besonders die die sich aufgrund uebermaessigen alkoholgenusses entleeren mussten, waren sich einig, am abort hoert der luxus auf - ein klubklo darf nicht zur temporaeren autonmen zone werden. hier haben die designer geschlafen! dennoch: die besetzung des ehemaligen telekom gebaeudes aus der jahrhundertwende verschafft der geneigten besucherin eine brasil artige postindustrielle ambience, mit viel schwuel-elektronischer intensitaet, doch ohne den unschoenen aspekt egomanischem 80er Heldentums oder lieblosen technohallensports. vor allem wird das mellow modell fernsehclubkultur, in seiner breitgetretenen laessigkeit, all dem konsensuellen holz und schnoeseligen langeweilen ad akta gelegt und den werbefritzen zur auschlachtung uebergeben. genauer gesagt. auf behutsame weise gelingt es den wmf betreibern komplett inkompatible sound und zeichenuniversen miteinander zu verweben, schroffhei ten zuzulassen und die einfache lust am tanzen direkt medienarchitektonisch anzugehen ohne alles in die verbloedung eines beduerfinsbefriedigungsbetriebs abgleiten zu lassen. gerade der outdoors bereich, an der bewaehrt runden honecker bar aus dem palast der republik, oder auf den sofas aus dem panasonic/elektro, gibt vielen die moeglichkeit am helligten tage kraft zu schoepfen, bloss um sich wieder zurueckzustuerzen. hier geht es um die logik der koerperrythmen im kontext eines anekdotischen urbanismus und noch ist es wieder einmal gaenzlich unklar welche zielgruppe sich diese sommerresidenz aneignen wird. zum wiederholtem male werden im klubkosmos massstaebe gesetzt und andere etablissements in die schranken verwiesen. konzept, erfindungsreichtum, erfahrung, riskofreudigkeit, sind nichts wenn sie nicht mit einer prise kalkuliertem irrsinn gepaart werden. jemand sagte spaeter, in einem klub ginge es doch ueberhaupt nicht darum sinn als style zu produzieren oder bloss mit geld oder wirgefuehl zu wuchern, sondern immer auch ein stueck weit menschliche verstaendigungsgrenzen auszudehnen, und diese grenzerfahrungen gemeinsam (und gegen bierwaerhung) teilbar zu machen. im falle klub heisst die grenze immer erst (neue) technologie und das medium koerper, sozialer versteht sich. es wird spannend welche elemente des wmf nummer fuenf zuerst zum nachahmen animieren werden. die zentrale aussage: der dancefloor ist tot, es lebe der dancefloor. trotz aller verwunderung wurde just am tiefpunkt bundesdeutscher tanzmuedigkeit der rave wiederentdeckt, und die riviera nach berlin mitte geholt. nach der im rueckblick erfolgreichen und vielkopierten etablierung des lounge konzeptes in den johannisstrassen jahren, wurde diesmal diesmal die frage nach dem pochenden herzen eines clubs, 100%ig mit hier beantwortet. sicher, dies ist auch das expo jahr steigender ausgaben, bei weiter fallenden PC preisen, drohenden hochverfuegbarkeitsscenarien an der multimediabreitbandfront, lang bevorstehendem boersencrash, digitalem konservativismus und dummdreister gruenderzeit. just in diesem moment, wird der tanzboden zum intelligenten holodeck ausgebaut, und bleibt doch auch bloss der ort wo am ende nichts als wenn auch kunstvolle verfuehrung rauskommt. berlin, diese mittelgrosse dreckige stadt am rande mitteleuropas, hat endlich wieder eine ernstzunehmende grossraumdisko. (remember chez konrad?) nach dem niedergang von e-werk und teschno in hochkommerzialisiserten und amphetamin verseuchten trance-dance-grossveranstaltungen, wurde hier ein positives zeichen gesetzt und die chancen mit den risiken optionistisch miteinander verwoben. von hier aus kann man prinzipbedingt ueberall hin wenn man will und sich gehen laesst. in diesem tanzraum also, der mehr als alle sinne versorgt, in den man endlich wieder ganzkoerperlich eintauchen kann, muss weitergetanzt werden. das, natuerlich, nur so lange wie die musik stimmt. so melden sich im neuen wmf neue kolonien vor allem aus der garage/drum&bass/breakbeat galaxie, und treten mit hierzulande noch weitgehend unbekannten modellvarianten an, deine allzu heimatlich gewordenen hoergewohnheiten und bauch-kopf synchronisation durch gezielte up-beat verschiebungen umzuprogrammieren. die namen der schlachtschiffe sind: twen fm und eexponenz. ueber die naechsten monate heisst es, waeren von der westdeutschen elektro-house zone weitere neue, trockene und doch seelenvolle impulse zu erwarten. jazzanovas sonar kollektiv setzt donnerstags weiterhin qualitaetsmaesstaebe und die mikrolounge schafft monatlich mittwoches den anschluss an kritischen mediendiskurs, als einzig akzeptierter treffpunkt der berliner internetintellektuellen. apropos materietransmitter: die liveuebertragung des pole konzertes uebernahm diesmal wieder die californische netzradio pionierabteilung betalounge.com die seit neuestem mit deutschem ableger betalounge.de reuessiert. die bethkeschen subbaesse sollen besonders gut kommen wenn zwischen linken ohr (decoder) und rechtem ohr (encoder) 14000 kilometer zuruecklegt werden. vom urban dub zum netz als echochamber. doch auch in zukunft wird wieder das nun fast ein jahr alte klubradio das aus vier berliner klubs sendet, und auch vor der mayday nicht halt machte, mit neuen tricky features und ueberarbeiten webseiten auftreten. nur die wap handies muessen draussen bleiben. und aus gut unterrichteten kreisen hoert man dass die monatelange entwicklung des wmf websites nun auf hochtouren laeuft, es wird gemunkelt von 24 stunden uebertragungen und slideshows im 16:9 format. wir werden sehen, hoeren, riechen, beruehren... stay tuned. ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost