MarkusH on 6 Sep 2000 09:41:44 -0000 |
[Date Prev] [Date Next] [Thread Prev] [Thread Next] [Date Index] [Thread Index]
[rohrpost] interview mit marie luise angerer |
An interview of Marie Luise Angerer i have found on the page of diestandard.at . Interesting is that she points out the focus centralized on the western, white view of "next sex" Dienstag, 05. September 2000 Genderdebatte im "Next Sex" Marie Luise Angerer im Interview Marie Luise Angerer ist Professorin für Medien- und Genderforschung an der Hochschule für Medienkunst in Köln. dieStandard.at sprach mit ihr über das Symposium im Rahmen der Ars Electronica, an dem sie als Vortragende wie auch als Ko-Moderatorin fungierte. dieStandard.at: Was kann eine Veranstaltung wie das "Next Sex"-Symposium zu einem Genderdiskurs im europäischen Raum beitragen? Marie Luise Angerer: Mein erster Eindruck war, dass es eigentlich erstaunlich ist, dass dieses - provokant gesagt - altmodische Thema zum Thema gemacht wurde. Ich denke mir, dass die Aufgabenstellung "Next Sex" bzw. die Debatte, die damit verknüpft ist, überhaupt keine neue ist. Der zweite Eindruck allerdings ist der, dass ich denke, dass der Kontext hier ein völlig anderer ist. Am Symposium passiert die Verbindung von KünstlerInnen, die mit Biotechnologien arbeiten, von BiomedizinerInnen, SexualforscherInnen mit KünstlerInnen und TheoretikerInnen, die sich wiederum aufteilen in FilmemacherInnen wie z. B. Monika Treut oder SoziologInnen und cultural studies-ForscherInnen wie Joanne Finkelstein. Diese Verknüpfung glückt! Ich bin zwar etwas im Zweifel, ob ich persönlich als Ko-Moderatorin das so positiv sehen kann, weil ich ja mitten drin sitze, ob mein Blick und mein Gehör dadurch nicht etwas einseitig geworden ist. Aber mein Eindruck ist, dass das Publikum interessiert ist an dieser Kontextualisierung, an diesen unterschiedlichen Aspekten, die in ansonsten unterschiedlichen, getrennten Kontexten auftauchen. Bislang wurde die Genderdebatte, die in Europa, wenn man das so grob sagen will, Anfang der 90er Jahre ihren Hype erfahren hat durch Judith Butlers "Gender Trouble", eben in einem ganz bestimmten Kontext geführt, über den hinaus sie nie gekommen ist. Es ist interessant, dass die Ars als Kunstfestival verspätet darauf reagiert, wo sich doch die KünstlerInnen meistens als vornedran verstehen. Aber ich denke mir, es ist nicht unbedingt das verspätet darauf Reagieren, worauf es in dem Fall ankommt, sondern darauf, die Debatte in einem anderen, weiteren Kontext vorzuführen. dieStandard.at: Wie gehen Sie mit den Aussagen des "Pille"n-Entwicklers Djerassi um? Marie Luise Angerer: Carl Djerassi ist eine internationale Grösse, die sich entsprechend der amerikanischen Manier präsentiert. Das mögen manche jetzt schlecht finden, andere finden's gut. Was er gezeigt hat, war für mich interessant, weil er als älterer Wissenschafter mit seiner eigenen Forschung, die meiner Meinung nach sensationell war, so spielerisch umgehen kann. Das ist eine Grösse, die dieses Alter - ich meine das wirklich positiv - erlaubt. Zu sagen, 'ich mache "sience in fiction", ich mache "science in theater"', wie er's genannt hat. Er hat viele Momente in einfacher Weise angesprochen, die wir sehr selbstverständlich nehmen, die es aber nicht sind. Er hat im Zusammenhang mit der Frage, warum es nach wie vor keine Pille für den Mann gibt, klar gemacht, dass niemand sich dafür interessiert, dass kein Mensch an dieser Pille arbeitet. Warum? Er hat es ziemlich genau auf den Punkt gebracht: das einzige, was Männer interessiert, ist ihre Angst vor Impotenz. Tatsächliches Interesse konzentriert sich auf ihre Fruchtbarkeit und die Erektionsfähigkeit. Mit Viagra ist erstmals Impotenz zum Dinnergespräch geworden. Das sind Kleinigkeiten, die wir selbstverständlich nehmen, aber sie sind dann nicht mehr selbstverständlich, wenn man den Kopf weiter hinausstreckt. Das trifft für ganz viele Themen zu. Weiters hat er eingebracht, dass Verhütung in Zukunft möglicherweise kein Thema sein wird, sondern die Sterilisation von Frau und Mann mit vorhergehender Einfrierung von Eiern bzw. Spermien. Die Betonung lag aber auf der Möglichkeit. Er hat immer klar gesagt, dass diese Dinge technisch machbar sein werden, aber nicht, dass es so sein wird. Der Frage der Ethik, wer die Entscheidung trifft, was möglich gemacht wird und was nicht, wird die größte Bedeutung zukommen müssen. dieStandard.at: Und Ihre persönliche Prognose? Marie Luise Angerer: Der Trend der letzten Jahre, dass beispielsweise Frauen in höherem Alter Kinder bekommen, ist unübersehbar. Das sind Frauen aus bestimmten Kreisen: Frauen, die berufstätig sind, die in ihren berufen erfolgreich sind, mehr oder weniger. Für sie ist es möglich geworden, mit 45 Jahren noch Kinder zu bekommen, und viele nutzen es auch. Es ist für lesbische Frauen, zumindest in anderen Ländern - bei uns noch nicht - eine grössere Selbstverständlichkeit, ein Kind zu haben. Was auffällt: es geht uns immer noch darum, Kinder zu haben. Was mich ein bißchen verwundert, ist, dass die Frage, warum wir uns noch immer so wahsinnig aufs Kinderkriegen konzentrieren, als ob es nichts anderes auf dieser Welt gäbe, weder vom Publikum noch von den SymposiumsteilnehmerInnen gestellt wird. Insofern ist die Veranstaltung eine enorm westliche, weisse, in der es darum geht, wie wir Kinder kriegen können. Andere Länder wie China oder Indien müssen mit ganz anderen Fragestellungen umgehen. So gesehen ist das Thema sehr schmalspurig und sackgassenmässig, ja absurd. Aber offensichtlich beschäftigt uns diese Frage übermässig, weil sie - pathetisch gesprochen - mit Leben und Tod zu tun hat. In dem Moment, wo ich mich mit diesen Dingen beschäftige, ist natürlich der Tod stillschweigend mitangesprochen. dieStandard.at: Haben Sie auch Zeit für Veranstaltungen im Rahmenprogramm gefunden? Marie Luise Angerer: Ich habe mir Istvan Kantor (Anm.: Anerkennung Interactive Art - Prix Ars Electronica 2000. '"Intercourse" präsentiert den Aktenschrank als sozio-sonische Lärmmaschine und interaktives Sub-Monument. Maschinerie und rohe Emotion kollidieren. Eine dramatische Begegnung des menschlichen Körpers mit seinen technologischen Erweiterungen.' siehe kultur.aec.at unter timetable) angeschaut, der mich sehr belustigt hat. Ich habe gehört, dass es anschließend zu einem "Eklat" gekommen ist.. Ab einem bestimmten Punkt ist mir das obsessive Herumgeficke auch ein wenig auf die Nerven gegangen, habe es aber auch streckenweise geniessen können. Ich habe es eigentlich nicht sonderlich aggressiv empfunden. Es war der Rhythmus, den die Schubladen erzeugt haben, der mir enorm gut gefallen hat, wie Trommeln. Und dass er nicht nur Männer aus dem Publikum geholt hat, die die Maschinen dementsprechend bedient haben, sondern eben auch Frauen, habe ich sehr gemocht. Er hat sie gepackt und sie haben selbstverständlich mitgemacht. Möglicherweise wäre das vor zehn, fünfzehn Jahren nicht der Fall gewesen, und es wäre auch niemandem aufgefallen. Danke für Ihre Zeit. (Birgit Tombor) (C) 2000 diestandard.at http://diestandard.at ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost