sascha büttner on 11 Jul 2001 21:02:14 -0000


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AW: [rohrpost] METABOLICS//STOFFWECHSEL#7 mit entropy8zuper


Liebe Metabolicer + Metabolicerinnen, liebe Stoffwechsler +
Stoffwechslerinnen, liebe Listenmitglieder + Listenmitgliederinnen
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es kann sein, das das Folgende für die meisten kalter, alter Kaffee ist,
tausendmal gehört, gelesen und diskutiert. Diese bitte ich die Mail sofort
zu löschen. Alle anderen bitte ich um Kommentare und eine anregende
Diskussion.
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ja, ich habe versucht mir die Seiten
http://www.entropy8zuper.org
http://www.entropy8zuper.org/skinonskinonskin
http://www.entropy8zuper.org/wirefire
http://www.entropy8.com/hallucinations/synesthesia
http://www.hell.com
von AURIEA HARVEY und MICHAEL SAMYN anzuschauen
und, obwohl das eingetreten ist, was Du mir vorhergesagt hast (mein Rechner
hat
die Grätsche gemacht, die Internetverbindung ist zusammengebrochen, es fing
spontan an zu
Hageln und der Sensenmann ging durch unsere Strasse....), hatte ich doch
einen kurzen Blick auf diese Seiten werfen können und mich überkam ein
erhabenes Gefühl des "dabei sein". Ehrfurchtsvoll warf ich mich zu Boden und
gelobte nie wieder etwas von "Internet-Seiten müssen aber schnell laden und
einfach
sein" und ähnliches in die Internetwelt hinauszuposaunen.
Ich rätsel gerade so vor mich hin, ob die eine (fette Files) oder andere
(magere Files/ASCII) "Zuspitzung" so sinnvoll ist. Natürlich ist es mal
ganz erheiternd, wenn jemand genau das Gegenteil eines (scheinbar) breiten
Konsens postuliert und damit Provoziert. Letztlich wüsste ich allerdings
schon gerne,
ob es eine neue Elite gibt, und was das mit uns zu tun hat? Ich würde
nämlich
bestimmt  dazugehören wollen: teure Notebooks, schnelle Verbindungen,
hochdotierte Preise?
Und da fängt mein Magen an zu rebellieren: was soll der Scheiß mit "teuer
gehandelt" und Wettbewerb? Was hat das Kriterium des San Francisco Museum
of Modern Artmit guter oder schlechter Kunst zu tun? Sind das unsere
Kriterien?
So wenig das Gerede um den "rohen Quellcode" und dem ASCII-Kram Netzkunst
beschreiben bzw. erfassen kann, so wenig vermag dies auch das Vermeintliche
Qualitätsurteil "höchstdotierter Preis", der ja mehr über die Absichten der
Leute erzählt, die ihn vergeben, als über die Kunst und Künstlerinnen, die
ihn erhalten. Es wäre also richtiger die Preis-an-stifter einzuladen als die
Preisträger. Das würde ich gerne zu einem Gesetz machen, damit endlich der
Blödsinn mit diesem "Ich bin stolz ein Preisträger zu sein" aufhört. Der
Preisstifter (ähnlich dem Brandstifter) gehört ins Rampenlicht, weil der
sich doch tatsächlich etwas denkt (sonst würde er ja nichts wirklich
hergeben wollen) und, im Gegensatz zum Preisträger (ähnlich dem
Wasserträger), agiert und nicht reagiert. Bitte nehmt meinen Vorschlag sehr
ernst und ladet fortan nur noch Preisstifter ein! Was wird das eine
illustere schau geben: Manager, Bankdirektoren, Mäzene.... eben Kultur- und
Weltelite! Und verbannt bitte diese Wasserträger, diese erbärmlichen
Künstler und "Kreativen" vom Podium.
Vielleicht aber bedeutet dieser Kult um "wir haben heute einen Preisträger"
zu Gast nur  die Sehnsucht nach dem Glanz derer, die im Glanz derer stehen,
die den Glanz ausstrahlen. Also eine Glanzerheischung dritten Grades. Wie
dem auch sei, ich verlange dazuzugehören und bitte um die Zusendung eines
neuen Rechners (am liebsten ein Notebook, das vermittelt mir den Eindruck
mobil zu sein), den Anschluss an ein Breitbandkabel und die Versorgung mit
relevanten Informationen.
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Fragen (die wir uns stellen) zur Netzkunst
Wir denken, dass der bisherige Diskurs zur Netzkunst bzw. die Versuche
seitens
Kritiker + Kritikerinnen und Kunsthistoriker + Kunsthistorikerinnen (und
auch leider von einigen Künstlern + Künstlerinnen) Netzkunst zu beschreiben
bzw. zu definieren, sich fatal auf Netzkunst (Unsere These: Es gab bisher
keine Netzkunst. Sehr wohl aber gibt es:
"Ich-lass-den-Browser-wackeln-Kunst, "ASCII-Kunst", "Ich-bemühe-die
Geduld-Anderer-Kunst", "Html-Kunst", "Ich-erzähle-eine-Geschichte-Kunst",
etc. und einiges davon kann man über das Internet anschauen.) und auf
Künstler + Künstlerinnen auswirken. Der Diskurs ist gespickt mit Rezeptions-
und Zuschreibungsmodellen, die uns in der Entwicklung um Jahrzehnte
zurückwerfen.
Folgende Postulate zu einer Netzkunst mögen erörtert werden:
- Netzkunst braucht keinen Ort (also auch keine IP-Nummer!)
- Netzkunst braucht keine Autorenschaft
- Netzkunst wird Zeit- Ort- und Handlungsebenen miteinander verknüpfen
- Netzkunst wird soziale, politische und kulturelle Handlungen verknüpfen
- Netzkunst wird Organisationsmodell
- Netzkunst befreit sich von ästhetischen Zwängen
- Netzkunst ist immer dynamisch
- Netzkunst ist nicht das, was der Browser oder andere Anzeigemodule
sichtbar machen
Man muss die Geschichte der Preise und Festivals für "Netzkunst" als einen
massiven Angriff der "Kultureliten" auf ein erst einmal autonomes (hier zu
begreifen als eine "Terra incognita") Medium begreifen. Bisher wurde
Netzkunst von Künstlern + Künstlerinnen (und Aktivisten + Aktivistinnen)
entwickelt. Jetzt (seit 1998) geht es darum, den Zugriff und die Rezeption
zu vereinnahmen. Internet und Computer stehen (platt formuliert) für
"Vorne", für Zukunft.
Das will und muss die Kulturelite für sich beanspruchen und fährt,
sicherlich
eher Zwangsweise , die Schiene der immer höher dotierten Preise. Da können
wir (s.a. aktuellen "Laptop-Wettbewerb von Stefan Beck: ein erbärmliches
Preisgeld, ja man muss sogar eine Stargebühr entrichten) nicht mithalten.
Es muss also eine Strategie entwickelt werden, die Preisgelder abzugreifen,
ohne dem Irrsinn zu verfallen, die Auszeichnungen als Ehrung oder
Annerkennung zu begreifen. Preisträger müssen, wenn sie die Preisgelder
nicht freiwillig hergeben, enteignet werden. Wahlweise dürfen sie mit dem
Preisgeld ein Projekt entwickeln, das der guten Sache dient.
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Nebenbei,
bei New Art Activism
(s.a.: Ten Rules for the New Art Activism
http://www.influxus.de/cgi-bin/ikonboard//topic.cgi?forum=2&topic=1)
geht es nicht darum, ob jemand ein Bild malt oder nicht, wie es vermitelt
wird, ob Geld verdient wird oder nicht. Das sind sekundäre Wichtigkeiten.
Primär geht es um die Frage, wie wir Kunst und deren Möglichkeiten
einsetzen. Wir denken, daß die Kunst heute vor allem:
- ökonomische Tauschmodelle entwickeln
- neue Organisationsformen
- Möglichkeiten einer befreiten Gesellschaft skizzieren muß(also im
klassischen Sinne Avantgarde sein).
Kunst wird unserer Meinung nach zum "wisschenschaftlichen" Kontenpunkt, zur
Partnerin der Netzwissenschaft (im Gretherschen Sinne).
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Ich verstehe ja das Problem, dass mit nem unbekannten Künstler (also einem,
der durch nichts aufgefallen ist, der keinen Preis gewonnen hat, keinen
Bestseller geschrieben hat, etc.) nichts zu Gewinnen ist. Aber könnte man
nicht trotzdem mal was anderes machen, von der sicheren Linie abweichen?
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Ist es eine subversive Strategie, System abstürzen zu lassen? Und ist es
nicht gemein, dass, wer sich's leisten kann, diese Strategie unterlaufen
kann?
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Beste Grüße,

Sascha

> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: rohrpost-admin@mikrolisten.de
> [mailto:rohrpost-admin@mikrolisten.de]Im Auftrag von florian schneider
> Gesendet: Dienstag, 10. Juli 2001 10:04
> An: rohrpost@mikrolisten.de
> Betreff: [rohrpost] METABOLICS//STOFFWECHSEL#7 mit entropy8zuper
>
>
> METABOLICS//STOFFWECHSEL#7
> DONNERSTAG 12 JULI 2001 20:00
> MUFFATHALLE MUENCHEN
>
> Informationen und Live Stream:
> http://www.linksverkehr.net/metabolics
>

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