Ronnie Vuine on Tue, 23 Oct 2001 21:13:09 +0200 (CEST) |
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Re: [rohrpost] Re: [rohrpost] Beschlagnahmungen und Hausdurchsuchungen wg. Online-Demo |
Antwort auf die Mail vom Montag, 22. Oktober 2001 11:55: Morgen. > Ich hätte gern gewusst, woher Du die genauen Informationen über die > Praxis der Staatspolizei oder des Bundesverfassungsschutz hast um > diese Feststellung treffen zu können. Ich kenne deren gesetzlichen Auftrag und was mir die Presse über die Organisationen sagt. Und das ist dann eine pure Glaubwürdigkeitsfrage - wir leben in medialen Zeiten. Ich habe nur die "Zeit", ihr grundbürgerliches und journalistisches Selbstverständnis und ihr Schweigen. Und einige schreierische Publikationen im Netz. Und dann ist da noch meine persönliche Erfahrung. Die sagt mir folgendes: Ich bin nie einem irgendwie gearteten Überwachungs- oder Zensurapparat begegnet. Und der angehende Staatschützer, den ich persönlich und sehr lange kenne, ist mit Abstand der verfassungstreueste Mensch, der mir je begegnet ist. Versteh' mich da nicht falsch: Wenn es stimmt, daß bei der Aktion im Afrikahaus ohne Durchsuchungsbefehl Räumlichkeiten betreten wurden, ist das ein Skandal und ein Fall für die Gerichte und Dienstaufsichtsstellen. Von der Praxis habe ich aber gar nicht geredet. Die Diskussion ist entstanden, weil wieder mal jemand den Begriff "politische Polizei" in den Raum haut und sich damit, auch wenn er eine gerechte Sache vertritt, von vornherein als ein Schreihals diskreditiert. Da stand eben nicht: "Die Polizei hat.... blabla.... Türen eingetreten... unsofort... das ist nach Ansicht von [XY] das Vorgehen einer politischen Polizei". > Meiner Meinung gibt es einige Fälle, bei denen diede Organisationen > durch aus zu Unterdrückung politischer GegnerInnenbenutz wurden. > Ermordung von RAF-Gefangen Von wem reden wir da? Der ersten Generation in Stammheim? Ich gebe gerne zu, daß sich Staat und (vor allem) Justiz da völlig schweinisch daneben benommen haben. Aber die Märtyrermär von den politischen Morden in Stammheim war schon immer ebenso unbewiesen wie unplausibel. Von "Unterdrückung politischer Gegner" zu sprechen ist übrigens nicht zu rechtfertigen. Die RAF-Leute waren keine politischen Gegner, sondern politische Straftäter in einer Republik. Sie wurden nicht "unterdrückt", sondern strafverfolgt. Auch die PDS, s.u. wird nicht unterdrückt. Sie erhält Geld vom Staat wie jede andere Partei. > Was ist für dich eine Online-Demonstration? Eine DoS-Attacke heisst nicht umsonst nicht DoS-Demonstration, sondern eben Attacke. Sie ist, technisch wie wesentlich, ein Angriff auf die Funktionsfähigkeit eines Systems. Eine Demonstration ist eine Meinungsäusserung einer sich ohne Waffen und unvermummt versammelnden Gruppe von Bürgern, vorgenommen im öffentlichen Raum. Sie richtet keinen direkten Schaden an und zwingt niemanden direkt zu irgend etwas. Das ist gut und nicht ohne Grund genau so. Frage: Wozu wird "online" demonstriert - wie wird die Absicht gerechtfertigt, eine gewachsene demokratische Tradition im Cyberspace abzubilden? Öffentlicher Raum und Cyberspace sind nicht äquivalent - vielmehr wurde dieser Angriff auf den virtuellen "Boden" der Lufthansa getragen. Auf privatem "Boden" gibt es keine Demonstration, nur Hausrecht. Ich weiss nicht, wen ich da grade zitiere, jedenfalls: Wenn sich ein paar hundert Leute versammeln und schreiend eine Strasse entlang ziehen, ist das bereits ein kriegerischer Akt. Das ist richtig. Eine Demonstration ist ihrem Wesen nach eine Drohung. (Eine von der Verfassung geduldete, sogar ermutigte). Jede Art von Angriff macht aus der Demonstration schlicht Gewalt. (leider auch in der Realtität immer wieder, und leider allzuoft sind es nicht die Demonstranten, die die Sache missverstehen) Ausserdem zur Demonstration gehört, daß etwas sehr fundamentales demonstriert wird: Nämlich das Selbstbewusstsein des Bürgers als Bürger: der Macht des Staates aufrecht ins Auge zu blicken. Im Ausführen eines Programmes auf einem Rechner kann ich das nicht erkennen. Fazit: Entweder man lässt den Quatsch und geht auf die Strasse (das würde ich favorisieren. Mir scheint, bei all dem eHype wurde und wird immer noch eins vergessen: Internet is about communication. Es spielt eine auch politisch großartige Rolle bei Aufklärung und Meinungsvielfalt. Es ist aber ein Quark, alle Aspekte der stofflichen oder politischen Realität in den Cyberspace abbilden zu wollen, einfach weil es aus strukturellen, sinnlichen, rechtlichen und anderen Gründen keine virtuelle Entsprechungen geben KANN. Wer demonstrieren will, soll demonstrieren, nicht Progrämmchen starten.) Oder man denkt sich ein adäquates Konzept für den Cyberspace aus, unter Berücksichtigung folgender Rahmenbedingungen: - Machtvolle Meinungsäusserung - darum muss es vorrangig gehen. - Operation in "öffentlichen Räumen" (ja, aber wo sind die?) - Drohung, also nur potentielle Gewalt - Kollektivität - Gleichzeitigkeit - Identifizierbarkeit des Einzelnen in der Masse > Die Intensität hängt NICHT von der Zahl gecrackter/mißbrauchter > Rechner ab, sondern von der Zahl der DemonstrantInnen, die an > dieser Aktion freiwillig teilnehmen. Ist also genau mit den > "Behinderungen" vergleichbar, die bei einer RL-Demo entstehen. s.o. Behinderungen sind geduldete Begleiterscheinungen. Sie spielen sich auch lediglich im Bereich der öffentlichen Ordnung ab, also in Gebieten, die jedem denkenden Menschen eh mehr oder weniger wurscht sind. Demonstrationen als Mittel zur Verhinderung von Geschäften - so sind sie nicht gedacht. Behinderungen haben nichts mit der Intention und dem Konzept (!) einer Demonstration zu tun. Es heisst Demonstration und nicht "kollektive Behinderung des Strassenverkehrs" :-) Es gibt denkerisch noch eine Möglichkeit: Den anarchischen Ansatz. Also: Scheiss auf den Begriff, den die Verfassung von einer Demo hat - Krawall! Revolution! - Schön. Aber dann will ich kein Pressemitteilungs-Gejammer hören, wenn sich die Gegenseite wehrt. (Nicht daß es die Schweinereien der Gegenseite rechtfertigen würde, bloss das Gejammer ist dann verlogen) rv ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste fuer Medien- und Netzkultur Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost Info: http://www.mikro.org/rohrpost Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de