Dr. med. Harun Badakhshi on Mon, 14 Oct 2002 10:00:18 +0200 (CEST)


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Körper aus Zahlen

Digitale Bildgebung in der Medizin und ihre Implikationen


Tagung unter der Leitung von Dr. Harun Badakhshi, Humboldt-Universität zu 
Berlin, Charité-Medizinische Fakultät

1. November 2002, 10.00- 15.30

Humboldt-Universität, Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Raum 
3031
Anmeldung: harun.badakhshi@charite.de


Der Fokus der Tagung richtet sich auf die technische Herstellung von 
Körperbildern in der Medizin und deren allgemeine epistemologische und 
kulturelle Wirkungen.
Als medizinische Visualisierung soll in diesem Zusammenhang ein Bündel von 
Strategien und Technologien befragt werden, in dessen Rahmen seit genau drei 
Dekaden geregelte Verfahren zur Erzeugung von visueller Erfahrung eingeführt, 
angewandt und verbreitet worden sind. Neben den spezifisch innerfachlichen 
Inskriptionen der medizinischen Visualisierung, die nachhaltig zur einer 
Neuordnung des Wissens geführt haben, ist heute davon auszugehen, dass sie auch 
auf der Ebene der Kultur und ihrer inhärenten Techniken ästhetische und 
semantische Spuren hinterlassen hat, die es zu detektieren gilt. In diesem 
Sinne werden von dieser Zusammenkunft Überlegungen zur "visuellen Kultur" der 
Wissenschaften und der Gesellschaft erwartet.
Es geht somit darum, Basis und Hintergründe einer wissenschaftlichen Praxis 
sowie die Vielfalt ihrer routinemäßigen Anwendungen so darzulegen, dass ihre 
epistemischen und kulturellen Funktionen zugänglich werden und ihre 
Wechselwirkungen mit anderen Wissensfeldern als Integration oder 
Differenzierung wahrgenommen werden können.


Schwerpunkte
Digitaltechnologien zur Bilderzeugung und -verarbeitung prägen und bestimmen 
heute die medizinische Praxis. Sie entfalten ihre Wirkungen in verschiedenen 
Bereichen der klinischen Routine, wobei viele Maßnahmen und Interventionen 
durch sie unterstützt oder erst ermöglicht werden; sie verändern zunehmend die 
Grundlagen des Verständnisses und des Zuganges zum Körper. Die medizinische 
Visualisierung beeinflußt damit sowohl die Ordnung des Wissens in der Medizin 
hinsichtlich epistemischer und kognitiver Formationen als auch die Formen ihrer 
medialen Darstellung.
Die neuen Räume des Wissens entstanden durch vielfältige und vielseitige 
Beziehungen zu anderen wissenschaftlichen Feldern, welche nicht nur in 
Begriffen einer statischen Wissenschaftsgeschichte zu fassen sind, sondern eher 
durch ihr dynamisches Zusammenwirken charakterisiert werden sollen. Besondere 
Aufmerksamkeit verdient in diesem Kontext die Mathematik, da sie zum einen - 
als Software - mit ihren Theorien die symbolische Wiederherstellung des Körpers 
überhaupt denkbar macht (Fourier, Radon, Bracewell, Cormack) und zum anderen - 
als Hardware - in der Form universalen Turingmaschinen die Quantifizierung des 
Körpers und das Berechnen seiner Bildern ermöglicht. Das "imaging" des Körpers 
in den Maschinenräumen der Klinik spiegelt die Dominanz der Ziffern in der 
Kultur.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der medizinischen Visualisierung ist ihre mediale 
Funktion und Bedingtheit. Vor allem zu erwähnen ist, dass der Computer als 
Medium die Grundvoraussetzung der Digitalscanner Computertomographie (CT) und 
Magnetresonanztomographie (MRT) ist; nur durch ihn wurden solche Maschinen 
denkbar und konstruierbar. Heute wird, wie wir es in den Vorträgen hören 
werden, in den Bild-Laboratorien ein kaum noch überschaubares Spektrum an 
"graphic operations" implementiert, das in keiner Weise mit den vorgängigen 
analogen Geräten der Diagnostik verglichen werden kann. Die mediale Vermittlung 
erzeugt funktionelle Einheiten im Wissen um den Körper, die Art und Weise des 
Erwerbes, der Speicherung und der Verbreitung dieses Wissens grundlegend 
verändert haben. Nach Michael Wetzel läßt sich die mediale Konstruktion der 
Realität nicht rein auf das Funktionieren apparativer Übertragung beschränken; 
sie stellt sich hinsichtlich ihrer Überdeterminiertheit und vor allem ihrer 
Veränderbarkeit, ihrer historischen Konjunkturen und Paradigmenwechsel als ein 
Dispositiv dar. Damit wird nicht nur der transzendentalen Orientierung von 
Repräsentation als Bereitstellung, als multifaktoriellem Komplex eines 
systematischen Engineerings Rechnung getragen, sondern auch der virtuelle 
Charakter der Spurensicherung wird deutlicher.

Die Implikationen der medizinischen Bilderzeugung und -verarbeitung für die 
Bilddiskurse sind ein ebenfalls sehr attraktives Thema in den aktuellen 
Diskussionen. Allerdings erweist sich das Feld als schwer zugänglich, und dies 
nicht nur wegen fehlender Vorarbeiten und methodischer Probleme, sondern auch 
wegen der unvermeidlichen Berührung mit einer sich verändernden 
Bildwissenschaft, die aber diesen wesentlichen Raum der visuellen Erfahrung nur 
sehr zurückhaltend berührt. Die Tagung soll hier einen Beitrag zur 
Systematisierung der Diskussion und zur Methodenbildung leisten.


Teilnehmer

Dr. Christina Lammer
Universität Wien
Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung

Dr. Frank Wübbeling
Universität Münster
Institut für Numerische und instrumentelle Mathematik

Dr. Oliver Grau
Humboldt Universität Berlin
Kunsthistorisches Seminar

PD Dr. Arne-Jörn Lemke
Humboldt Universität
Charité CRV-Medizinische Fakultät
Abteilung: Röntgendiagnostik

PD Dr. Wolfgang Ernst
Gastprofessor an der Fakultät für Medien, Bauhaus-Universität Weimar

PD Dr. Wolfgang Hagner
Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte
Berlin

MA Stefan Heidenreich
Humboldt Universität
DFG-Projekt: Geschichte und Systematik der digitalen Medien
Institut für Kulturwissenschaft

Dr. Mathias Schroeter
Max-Plank-Institut für Neuropsychologie
Leipzig

Dr. Martin Scholz
Humboldt Universität zu Berlin
Charité-Medizinische Fakultät
Physikabteilung- Klinik für Strahlentherapie

Dr. Harun Badakhshi
Humboldt Universität zu Berlin
Charité-Medizinische Fakultät
Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie- Tumorzentrum






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