debug on Sat, 21 Dec 2002 20:25:04 +0100 (CET) |
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Hallo. Hier die Themen der neuen De:Bug - Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte. Die neue Ausgabe ist seit heute am Kiosk erhältlich. Samt Leserpoll für 2002, den De:Bug 2002 Jahrescharts, dem Jahresrückblick und natürlich vielen anderen lustigen Geschichten. M U S I K PUPPETMASTAZ Auch wenn sie etwas zerknautscht aussehen, auf den Kopf gefallen sind die Puppetmastaz nicht. Mit korrekter Attitüde texten sie sich durch ihr "Loonie-Verse" und geben matschigen ElektroHipHopBeats den nötigen Schliff. Enter the Freak Chambers. METRO AREA Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Die Antispektakel-Disco von Metro Area hat alle Filter-Diven-Exzesse siegreich ausgesessen. Mit ihrem Album manifestieren Morgan Geist und Darshan Jesrani die Überlegenheit von Understatement unter der Glitzerkugel. Alle Welt hat es gefressen - aber auch ihre Heimat New York? ANDREW WEATHERALL Andrew Weatherall ist eine der Säulen englischer Ravekultur. Als Produzent von Primal Screams "Screamadelica" oder als Teil der Freistil- bis Kifferhouseprojekte Sabres of Paradise und Two Lone Swordsmen und als Biker in der DJ-Booth trägt er einen guten Teil Geschichte auf seinen tätowierten Unterarmen. DEADBEAT Deadbeat aka Scott Monteith aus Montreal braucht sich um Sounddesign keine Sorgen mehr zu machen. Mit einer Klangbibliothek bis unters Hochbett kann er sich auf seinem neuen Album für Scape voll auf den Song im Dub konzentrieren. Auch bei nicht-jamaikanischen Temperaturen klingt "Wild Life Documentaries" so, als ob alle Tapeschleifen vom Black Arch auf einmal lostuckern. RICHARD DAVIS Der Wahlberliner Paul Davis spielt die Minimalhouse-Klaviatur als Junkie Sartre und Bass zu den Songwriter-Kapriziosen von "Dominique". Unter seinem Alias Richard Davis striegelt er nun auf seinem Album "Safety" den amerikanischen Kern deutschen Minimalhouses seidig - und schafft ein stilles Fanal von Pop als Wagnis und Deepness als Kritik. DEF JUX Das New Yorker Label Def Jux ist die schlecht gelaunte Gallionsfigur des Noncorporate-Raps, das seine Rhetorik so unbezwingbar wie rauh vor den Ami-Latz knallt. Mit Ex-Company Flows El-P, Lif und RJD2 kam jetzt die geballte Def Jux-Crew nach Deutschland, um ihre Idee von guter Musik in schlechter Gesellschaft face to face zu unterbreiten. AREAL LABEL REPORT 2002 wird im großen Techno-Geschichtsbuch nicht ganz so viele Seiten abbekommen. Trotz ”Speicher 2“ oder ”Acid Storm“ sind die einst konzentrierten technoiden Zonen von Historismus-Terror besetzt - das Minimal-Harte und seine Risse, Verzerrungen, Überspanntheiten finden seltener Gehör. Das Label Areal aus Köln hingegen hat in das minimale Gebäude Querverstrebungen eingezogen, die schon mehr als einen Dancefloor zerbersten ließen. THE SEA AND THE CAKE The Sea and Cake sind neben Tortoise die profiliertesten Post-Rocker aus Chicago. Ihre softfolkigen Dekonstruktionen suchen immer die Melodie im Herzen des Songs. Damit haben sie sich in die Herzen vieler Techno-Afterhour-Träumer gespielt. Wir schnuffeln in unser Flanellhemd. CONSOLE Console ist nicht mehr Martin Gretschmann alleine. Jetzt wird das klassische Modell Typen an den Instrumenten, Frau am Mikrophon auf Liebesfragen und Macintoshstimmen getestet. Was in Barcelona reifte, wird als Konzept-CD-Set gut. HIPHOP LIVE GRUNDKURS Ok, Berlin kann - neben dem unsäglichen Vorteil, dass man seinen Wodka auf 3 Sterne auf dem Balkon kühlen kann - einem innerhalb von 2 Wochen einen Grundkurs in die abenteuerlicheren Gefilde von HipHop geben. Und, den hatte ich dringend nötig, denn ich begann schon dran zu glauben, es gäbe Fernseh-HipHop und Underground-HipHop. Geheilt von diesem Schwachsinn ich bin. Nelly-Fan werd ich wohl erst mal bleiben. LAMÉ GOLD Lamé Gold unterstreicht den permanenten Kriegszustand. Die Streicherloop-CD "The Homecoming Concert" fragt ergänzend zu Albrecht Kunzes Hörspielen, warum der aufgeklärte Mensch vor seiner Aufgeklärtheit sitzt wie das Kaninchen vor der Schlange. Dedicatet to the survivors. J A H R E S R Ü C K B L I C K ACID REVIVAL Areal goes Acid a la El Arenal? Manchmal zumindest. Und selbst Daniel Wang setzt auf diese Karte – natürlich anders. Erinnert das Acid-Zitat im heutigen Sound-Design wirklich noch an eine vergangene Epoche, oder worum geht es eigentlich im Acid-Revival-Tratsch? Martin Osti und Aljoscha Weskott trafen sich in einer extra arrangierten Cryptic-Disco zum Acid-Klatsch um Mitternacht. INDIEHIPHOP CROSSOVER Alternativen, wo man nur hinsieht. Noch immer wächst und gedeiht HipHop-Musik, vor allem weil einige Produzierende einen Dreck auf vermeintliche Regeln geben. Schließlich ist noch genug Platz für surreale Abstraktionen und konkrete Aussagen. Ob übergreifende Gedanken oder gereimte Einfachheiten, wir sind begeistert. BASTARD POP Nichts wurde 2002 so herzhaft zusammengezwungen wie alter Klassiker plus aktueller Hit. Eine ganze Produzentengeneration wird zu Frankenstein und schafft Bastardmonster, die erst jede Party, dann die Charts und schließlich den Mustopf rocken. Aber weiter geht es mit den Bootlegs immer und ganz woanders. NORMALITÄT DES MUTTERSEINS Während in den Neunzigern eine nackte Mutter auf Modezeitungen noch als "fortschrittlich" galt, ist mit so einem restlosen Aufgehen in der Mutterrolle jetzt Schluss. In 2002 konnte man hochschwanger sein und sich über seine Aufgeblasenheit beschweren oder einfach überhaupt nicht darauf eingehen. Ab sofort jedenfalls schluckt der Zustand nicht mehr die ganze Person. Puh. GAMES Die Spielewelt igelt sich ein: Trotz tonnenweise neuer Hardware schielen Entwickler immer noch auf den schnellen Dollar mit Film-Adaptionen, Fortsetzungen oder Remakes. Und die User machen mit und rütteln brav an immer denselben Knöpfen. Aber ein schlechtes Jahr war 2002 dennoch nicht. FUTUREFARMERS Weil Amy Franceschinis Art, so bestimmt, eigen, sensibel und wunderschön zu gestalten, uns die liebste in diesem Jahr war, haben wir sie nach ihren Erlebnissen in 2002 gefragt. Auf das solche Ausnahmen mehr werden! ELECTROCLASH Sirupsüße Kitschscapes drehen sich per Retroturbo durch die Netzstrumpfhose - et voilà, das Wort macht die Musik: Electroclash! Larry Tees Überwort der englischen Musikpresse erfährt eine epochal-ontologische Ausdeutung von unserem Infusionsexperten Jan Joswig. Abschließendes Testurteil: Viel Fummeln, wenig Musik. DOORS OF PERCEPTION Die durch die wirtschaftlich schwierige Lage verursachte Auftragsflaute nutzt die Designwelt für einen kollektiven Neustart - oder sollte es zumindest. Nachdenken über den Flow auf allen Ebenen. Immerhin gab es für 1 000 Euro Teilnahmegebühr Bruce Sterling und Joshua Davis von der PrayStation zu sehen. Ob das für einen neuen Flow reichte? Nein, meint Marcus Hauer. R’N’B DIRTY POP In den Sphären des Mega-High-Gloss ist und bleibt die Devise: business as usual auf Champangner-Niveau. R'n'B ersehnt den nächsten Timbaland herbei und überbrückt die Wartezeit mit glitzernden Hochzeitsvideos. Jenny from the block macht es sich unterdessen gemütlich im heterosexuellen Darkroom einer der gefräßigsten US Entertainment-Kraken überhaupt. Who's next? T E C H N I K ADVENTURE GAME STUDIO Einst waren Adventure Games einfach und schräg. Statt sich in Features neuer Spiele zu ertränken oder sich mit Emulatoren nur an alte Pixeltage zu erinnern, legt die Spiele Engine 'Adventure Game Studio' den Grund für eine Fortsetzung: Los, setz dir dein eigenes Spiel. SPAM WAR Sicher, Ölpest ist auch scheiße, aber denkt man sich das Internet als Environment, dann dürfte mit der exzessiv massiven Zunahme von Spam dieses Jahr im Netz wirklich die erste globale Naturkatastrophe drohen, die einem auch noch das allerliebste, allerselbstverständlichste Tool, die gute alte E-Mail, versaut und jedes noch so schön filternde Mailprogramm eines etwas länger bestehenden Mailaccounts aussehen lässt wie ein Minenfeld. Live vom Schlachtfeld. KRIEG Präventivkrieg heißt die neue Masche. Und nicht anders als auf dem Laufsteg will man da natürlich seine neuesten Entwicklungen vorzeigen. Auch in diesen Krieg ziehen wir wieder mit den smarten Bomben, die jetzt noch effektiver geleitet und serieller hergestellt werden können. Wir stellen die mal vor. Daneben erklären wir, wie man mit 272 Milliarden Dollar für den Irakkrieg das Völkerrecht ruiniert, dafür aber 15% der Erdölvorkommen in die Hände bekommt. M E D I E N U N D K U L T U R PAY OR PRAY Eigentlich hätte 2002 das Jahr des Abos werden sollen. Das Jahr, in dem aus Websurfern endlich Konsumenten werden, aus Bandbreiten-Verschwendern zahlende Kunden. Janko Roettgers hat sich im pleiten Internet die verschiedenen Versuche des Aboangebots unter dem Diktum der Überlebensdrohung einmal näher angeguckt. Zahl mich oder ich fress mich? HOUSE OF PAIN Wer würde es nicht vermissen, das Lieblingsobjekt aller Spießerhasser und Mobilitätsfanatiker? Das deutsche Eigenheim wird in der Uncoolitäts-Skala vielleicht nur noch von zwergenbeschmückten Schrebergärten getoppt, aber irgendwie geht es nicht ohne. Eine kurze Geschichte des deutschen Eigenheims als notwendigem Cocooningtool und seinen gemeinen Tücken. URHEBERRECHT Nächstes Frühjahr bringt der deutsche Bundestag eine Novelle des Urheberrechts auf den Weg. Das Recht auf Privatkopie wird demnach zwar nicht abgeschafft, aber im Zuge von Digital Rights Management wanken. Auch der Kampf um die Disney-Patente, mit denen in den USA das Copyright ständig verlängert wird, entscheidet sich erst im nächsten Jahr - wahrscheinlich gegen Copyleft-Kläger Lawrence Lessig. NIKE STRATEGIE Nike greift mit seinen Werbekampagnen konstruktiv in den öffentlichen Raum ein und will sich so als sozialer Samariter im individuellen Erlebnisgedächtnis potentieller Konsumenten verankern. Über die Ambivalenz von Sportsfirmen in der Rolle von Kulturpolitikern sprach Debug mit dem Uni-Dozenten Friedrich von Borries. KATJA DAVAR Dass Kunst und neuste Technologien mitunter ein symbiotisches Verhältnis zueinander unterhalten, findet sich nicht selten in der Arbeitspraxis einiger zeitgenössischer Künstler wieder. Katja Davar fokussiert allerdings auf poetische Weise diese Technologien selbst - vom Satelliten bis zur Gameanimation. 8-MILE Überraschend gut: 8 Mile ist ein beeindruckend unprotziger Vorort-Rap-Film mit einem beeindruckend unprotzigen Hauptdarsteller, der es schafft, die Befindlichkeiten eines weißen Underdog-Rappers ohne ausbeuterische Stilisierungen und falsche Heroik in fesselnd triste Bilder zu bannen. _________________________________________________________________ De:Bug Verlags GmbH . Brunnenstrasse 196 . 10119 Berlin . http://www.de-bug.de ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/