Pit Schultz on Fri, 28 Feb 2003 03:45:11 +0100 (CET) |
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[rohrpost] fwd: rohrposted haikus - peter berz |
[in vorbereitung der naechsten serie innerhalb der M3 serie (ihr erinnert euch, sophienstr. vs. bootlab) wird es aller wahrscheinlichkeit nach um *medienbegriffe* gehen. also - wie werden medien begriffen, wie lassen sie sich am besten anfassen, verformen, in die ecke legen und bei bedarf wieder hervorkramen. wie lassen sie sich oeffnen um ihre unterbegriffe und nebenbedeutungen freizugeben. was macht, dass ein begriff auftaucht, oder zu verschwinden droht, eine macht zugeschrieben bekommt oder verliert. gerade jetzt, wo trotz vehementer medienunterstuetzung ganze bevoelkerungen ihre entgegengesetzten weltsichten zur schau tragen, wo ein saddam einen george zum tv-duell herausfordert und dieser mit 'network centric war' antwortet und die oelpreise steigen. ein medium ist ein medium ist ein medium hiess es in einer mail zuvor. welche haltebdingungen haette diese schleife? /p] Von: Peter Berz <h0411kks@rz.hu-berlin.de An: wolfgang ernst <pas-de-loup@t-online.de> Betreff: rohrposted haikus Datum: Mit, 26. Feb 2003 16:12 Uhr Haiku I Warum so viel Aufwand um die Definition von Medienbegriffen, des Medienbegriffs treiben? Ist es nicht eine Grundfeste diskursanalytischen Denkens und Forschens, sich an die Tatsachen des Diskurses zu halten, also an die tatsächlich ergangenen Wörter, Worte und Sätze? Das wären hier die tatsächlich ergangenen Reden vom Medium. Ich denke an Frau Ofaks Arbeit über die Frage, wie das Glas, das in der Optik als Medium angesprochen wird, als ebensolches Medium in Hegels philosophisches System gerät. Ich denke an die Luft als "kompressibles Medium", wie die Physik tatsächlich seit - vermutlich Prandtl - sagt (im Gegensatz zum inkompressiblen Glas und der Luft jenseits 333 Meter pro Sekunde); und hätte sie es nicht gesagt, würde heute kein einziges Flugzeug jenseits von Mach 1 fliegen. Ich denke an die "Vollmedien" und die "Halbmedien" in den Petrischalen der Biologen, ohne die keine einzige Gensequenz entschlüsselt worden wäre. Wie kommts eigentlich dazu, daß McLuhan überhaupt von einem Medium spricht, in welchem Kontext ging seine Rede? Und wenn Du willst, demonstrier ich Dir mal, wie an einer wahrhaft furiosen Stelle in John von Neumanns vier Lectures über Automatentheorie auf einer Seite drei oder gar vier verschiedene Weisen, tatsächlich von einem Medium zu sprechen, zu einer Argumentation ineinandergeschachtelt sind. Warum soll man Definitionen dekretieren, wo die Tatsachen des Diskurses viel spannender sind? Haiku II Das zweite wäre nochmal diese dichotomische Falle von Hardware und Software, Oberfläche und "hinter, unter, über" der Oberfläche. Wärs nicht viel enger an tatsächlichen Forschungen, neue Begriffe zu suchen? Also - wie schon oft vertreten - statt über Dichotomien etwa über drei, in Worten drei andere Dinge zu sprechen: Formate - Protokolle - Algorithmen. Ich glaube die drei sind systematisch unterschieden. Wie genau, ist ziemlich unklar, aber ich ahne, die lieb gewordenen, diskursgenerierenden Dichotomien würden sich dann schnell auflösen. Vielleicht wird jemand beweisen, daß es auf dem Stand der Technik in diesem Dreieck Schnittzonen gibt, die sich vielleicht immer mehr ausweiten: das wäre höchst spannend, würde aber am systematischen Ausgangspunkt nichts ändern. Daß diese Begriffe jetzt digitale Techniken bezeichen, ist nicht zu bestreiten. Daß sie aus der digitalen Technik stammen, scheint nur so. Du weißt besser als wir alle, daß sie aus dem Bibliothekswesen, der Aktenverwaltung, der Mathematik kommen. Natürlich kann man die Kultur mit der Kultur, die Technik mit der Technik, die Netzkultur mit der Netzkultur erklären. Natürlich kann man ohne Ende neue Monokulturen züchten. Aber steht nicht epochal (keep cool) die tatsächliche, möbiusverbandelte Verschlingung der technischen und kulturellen Begriffe und Praktiken auf dem Spiel: das Lasso zu drehen, mit dem wir den sich ablösenden Planeten proprietären, priesterlichen Geheimwissens von der Technik wieder ein Stück einholen? Herzlich grüßt, Peter ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/