Tilman Baumgaertel on 29 Apr 2001 19:34:21 -0000 |
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[rohrpost] Free Software Foundation europe |
Berliner Zeitung Berliner Zeitung Freitag, 27. April 2001 Frei heißt nicht gratis Am Dienstag wurde die europäische Dependance der Free Software Foundation gegründet Tilman Baumgärtel Stellen wir uns einmal vor, ein Computerprogramm sei ein Auto. Dann hätte dieses Auto eine Lizenz. Und in der Lizenz würde stehen, was der Hersteller dem Benutzer alles verbietet. Der Benutzer dürfte das Auto zum Beispiel nicht in einer anderen Farbe streichen, andere Räder anmontieren oder sonstige Veränderungen an dem Wagen vornehmen. Man dürfte nicht unter die Motorhaube gucken, um zu sehen, wie der Antrieb funktioniert. Man dürfte auch keine Teile aus dem Motor ausbauen, um sie in ein anderes Auto wieder einzusetzen. Vermieten oder verleasen könnte man das Auto nicht, und überhaupt dürfte nur derjenige das Auto fahren, der es gekauft hat. Wenn man gegen eine dieser Regeln verstößt, wäre der Autohersteller berechtigt, die Lizenz zu kündigen; der Besitzer wäre dann verpflichtet, sein Auto zu vernichten. Klar: Bei einem Auto würde sich kein Mensch derartige "Nutzungsbedingungen" gefallen lassen. Aber bei Computerprogrammen sind solche Einschränkungen die Norm. Bei Microsoft Windows steht im Lizenzvertrag, den jeder Nutzer akzeptieren muss, dass man den Code weder ansehen noch modifizieren darf. Der User ist dazu verdammt, mit Programmen zu arbeiten, von denen er nicht weiß, wie sie funktionieren. Einsam, aber entschlossen Der amerikanische Programmierer Richard Stallman führt seit Mitte der Achtzigerjahre einen einsamen, aber entschlossenen Kampf gegen die Beschränkungen, die die Softwarehersteller ihren Kunden aufzwängen. 1984 gründete er die Free Software Foundation (FSF, Freie Software Stiftung), die seither ein ehrgeiziges Ziel verfolgte: ein komplettes Computer-Betriebssystem mit allen normalen Programmen zu schreiben. Also quasi ein Windows samt Textverarbeitung, Internet-Browser und was man sonst noch so braucht - bloß eben nicht von Microsoft, sondern von unabhängigen Programmierern geschrieben und darum frei. Jahrelang galt Stallman wegen seiner ambitionierten Pläne als Spinner. Aber dann erschien das alternative Betriebssystem Linux, das genau das einlöste, was Stallman sich vorgestellt hatte: es war umsonst, weil es von Programmierern auf der ganzen Welt in ihrer Freizeit entwickelt wurde; es war lizenzfrei, und jeder User konnte sich den Code ansehen und gegebenenfalls verändern; und es war sogar noch stabiler, verlässlicher und schneller als Windows. Richard Stallman und seine Free Software Foundation wurden plötzlich zu Messen und Industrieunternehmen eingeladen; der Spinner von einst galt plötzlich als brillianter Visionär der Computerwelt. Inzwischen hat die Nachfrage nach Informationen zum Thema Freie Software so zugenommen, dass die Free Software Foundation in den USA den Andrang kaum noch bewältigen kann. Am Dienstag wurde darum in Hamburg eine europäische Dependance der FSF gegründet. Die offizielle Schwesterorganisation der amerikanischen FSF wurde in Deutschland von sieben Gründern ins Leben gerufen, weil hier zu Lande die Entwicklung Freier Software stark vorangetrieben wurde. Nun sollen Partner-Vereine in Spanien, Portugal, England und Frankreich, später auch in anderen europäischen Ländern folgen. "Wir wollen vor Ort Ansprechpartner bieten, die mit dem Thema Freie Software vertraut sind und glaubwürdige Antworten geben können", sagt Bernhard Reiter, der Sprecher der FSF Europe. "Gerade Politiker wissen oft nicht, an wen sie sich wenden sollen, wenn sie Fragen zu Freier Software haben." Dafür soll in Essen eine Geschäftsstelle mit einem Mitarbeiter eingerichtet werden, der als Ansprechpartner fungieren soll. Außer Lobbyarbeit in der Politik will die FSF Europe aber auch Spenden und Sponsorengelder sammeln, um neue Projekte anzustoßen. Ziel sei es, alle denkbaren Computerprogramme als Freie Software zur Verfügung zu stellen, sagt Leitner. Nicht für Hobbyprogrammierer Frei heißt dabei nicht in erster Linie "gratis". "Im Gegenteil, wir wollen die Leute ermutigen, mit Freier Software so viel Geld wie möglich zu verdienen", sagt Georg Greve, der Vorsitzende des neuen Vereins. "Freie Programme wie Linux sind schon längst kein Spielzeug für Hobbyprogrammierer mehr, sondern werden von internationalen Konzernen eingesetzt." Auch wenn man für Freie Software kein Geld verlangen darf, verdienen Firmen wie SuSe aus Deutschland und Red Hat aus den USA mit Linux gutes Geld. Sie bieten Dienstleistungen und Support an, entwickeln Programme für spezielle Bedürfnisse und führen Schulungen durch. Am wichtigsten ist für Greve, dass Freie Software auf dem freien Austausch von Wissen und Ideen beruht, wie er in der Wissenschaft existiert. Er meint: "Software ist wie auch Gedanken nicht stofflich und verlustfrei kopierbar. Wenn man sie weiterreicht, dient man ihrer Weiterentwicklung." http://www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/multimedia/.html/33644 .html Ein Service von Berliner Zeitung, TIP BerlinMagazin, Berliner Kurier und Berliner Abendblatt. © G+J BerlinOnline GmbH, 27.04.2001 ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost